Das goldene Horn, 1247 des Kalenders von Tempure, Herbst
Orion und Sagittarius blieben sprachlos und starrten die Fremde an, die ihnen vielleicht die Antworten bringen konnte, nach denen sie gesucht hatten. Die Geräusche der Taverne verschwanden in den Hintergrund, als sie sich auf die geheimnisvolle Frau konzentrierten, die sich ihnen als Aria vorgestellt hatte.
„Also,“ begann Aria mit einem listigen Lächeln, „lasst uns über meinen Preis sprechen. Informationen sind schließlich wertvoll.“
Orion runzelte die Stirn. „Wie viel willst du?“
Aria lehnte sich zurück und betrachtete die Brüder mit abschätzendem Blick. „Nun, das hängt davon ab, wie wertvoll euch diese Informationen sind. Sagen wir, fünfzig Goldmünzen?“
Sagittarius schluckte. „Das ist eine Menge Geld. Wir sind nicht reich.“
Aria hob eine Augenbraue. „Wirklich? Ihr seht nicht aus wie einfache Bauern. Ihr habt wertvolle Waffen bei euch, das sagt mir, dass ihr wohlhabender seid, als ihr zugeben wollt.“
Orion und Sagittarius wechselten einen kurzen, unsicheren Blick. „Nun ja,“ begann Orion vorsichtig, „wir haben ein wenig gespart, aber fünfzig Goldmünzen sind mehr, als wir tragen.“
Aria lächelte süffisant. „Dann sagt mir, wie viel ihr bereit seid zu zahlen. Vielleicht können wir einen Kompromiss finden.“
Sagittarius dachte nach und nannte schließlich einen Betrag, der ihnen noch genug Gold für ihre Reise lassen würde. „Wie wäre es mit zwanzig Goldmünzen?“
Aria schüttelte den Kopf. „Zu wenig. Wie wäre es mit vierzig?“
Orion schaltete sich ein. „Das ist immer noch zu viel. Aber wir könnten dir dreißig Goldmünzen anbieten, die Hälfte jetzt und die andere Hälfte, wenn du uns zu Thranar gebracht hast.“
Aria tat, als würde sie nachdenken, bevor sie schließlich nickte. „Einverstanden. Dreißig Goldmünzen, die Hälfte jetzt und die andere Hälfte, wenn ihr bei Thranar seid.“
Orion holte seinen Beutel hervor und zählte fünfzehn Goldmünzen ab, die er Aria überreichte. „Hier ist deine Anzahlung. Wo und wann treffen wir uns?“
Aria nahm das Gold und steckte es geschickt in ihren Umhang. „Trefft mich nach Mitternacht am westlichen Tor der Stadt. Ich muss noch ein paar Vorbereitungen treffen.“
„Nach Mitternacht?“ wiederholte Sagittarius skeptisch. „Warum so spät?“
Aria lächelte geheimnisvoll. „Die Nacht verbirgt viele Dinge, die am Tage nicht zu finden sind. Seid pünktlich.“
Mit diesen Worten erhob sie sich und verschwand in der Menge der Taverne, bevor die Brüder weiterfragen konnten.
Orion und Sagittarius sahen sich an. „Das klingt verdächtig,“ sagte Sagittarius leise.
„Vielleicht,“ antwortete Orion, „aber sie ist unsere beste Chance, Thranar zu finden.“
Nachdem Aria die Taverne verlassen hatte, kehrten Orion und Sagittarius in ihr Zimmer zurück, um sich auf das Treffen vorzubereiten. Es waren noch etwa drei Stunden bis Mitternacht, und sie wollten sicherstellen, dass sie für alles gerüstet waren.
„Ich habe ein ungutes Gefühl bei der Sache,“ sagte Sagittarius, während er seine Ausrüstung überprüfte. „Warum müssen wir sie mitten in der Nacht treffen?“
„Vielleicht ist das der einzige Weg, um unbemerkt zu bleiben,“ antwortete Orion und schnallte sein Schwert fester an den Gürtel. „Wir müssen vorsichtig sein, aber wir haben keine andere Wahl.“
Sie packten ihre Taschen, überprüften ihre Waffen und verließen die Taverne in Richtung des Westtors. Die Straßen von Eldoria waren jetzt deutlich ruhiger, die meisten Bewohner waren in ihren Häusern, und nur gelegentlich begegneten sie anderen Nachtschwärmern.
Als sie das Westtor erreichten, wurden sie von einer Stadtwache angesprochen. „Was treibt euch zu so später Stunde hierher?“ fragte der Wachmann misstrauisch.
„Wir treffen einen Freund außerhalb der Stadt,“ erklärte Orion schnell. „Es ist wichtig.“
Der Wachmann musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. „Ihr solltet vorsichtig sein, wen ihr als Freund bezeichnet, besonders wenn ihr ihn nachts außerhalb der Stadt trefft. Man weiß nie, wem man trauen kann.“
Orion und Sagittarius nickten und bedankten sich für den Rat, bevor sie weitergingen. „Das war knapp,“ murmelte Sagittarius. „Ich hoffe, wir machen keinen Fehler.“
„Wir müssen einfach wachsam bleiben,“ antwortete Orion. „Wir haben keine andere Wahl.“
Sie verließen die Stadt durch das Westtor und fanden sich in der kühlen Nachtluft wieder. Der Himmel war klar, und die Sterne funkelten über ihnen, während sie sich einen Platz suchten, um auf Aria zu warten. Die Minuten verstrichen langsam, und die Brüder wurden zunehmend nervöser.
„Es muss schon nach Mitternacht sein,“ sagte Sagittarius und schaute sich um. „Wo bleibt sie?“
Orion seufzte und trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. „Vielleicht hat sie uns reingelegt. Wir hätten vorsichtiger sein sollen.“
Weitere zwei Stunden vergingen, und die Brüder begannen, die Hoffnung zu verlieren. „Wir sollten zurückgehen,“ sagte Sagittarius schließlich. „Es sieht so aus, als ob wir ausgenutzt wurden.“
„Ja,“ stimmte Orion zu, seine Stimme voller Enttäuschung. „Wir können sie nicht einmal beschreiben. Wir haben nichts gegen sie in der Hand.“
Gerade als sie sich umdrehen wollten, um zurück zur Stadt zu gehen, tauchte Aria aus dem Schatten auf, ein keckes Lächeln auf den Lippen. „Tut mir leid, Jungs,“ sagte sie mit einem entschuldigenden Ton. „Ich musste noch ein paar Dinge erledigen und wurde von den Wachen verfolgt. Aber jetzt bin ich hier.“
Orion und Sagittarius blickten sie überrascht an, Erleichterung und Misstrauen kämpften in ihren Gesichtern. „Was hast du gemacht?“ fragte Orion skeptisch.
„Nichts, was euch Sorgen machen müsste,“ antwortete Aria mit einem zwinkernden Lächeln. „Lasst uns aufbrechen, wir haben nicht viel Zeit.“
Aria führte die Brüder entlang der Stadtmauer, bis sie zu einem vergitterten Ausgang kamen, aus dem die Kanalisation abfloss. Die Gitterstäbe waren alt und verrostet, doch sie wirkten immer noch stabil.
„Hier entlang,“ sagte Aria und zeigte auf die Gitterstäbe. „Es gibt einen Trick, um hindurchzukommen.“ Sie griff eine der Stangen und schob sie mit einem kräftigen Ruck zur Seite. Die Stange glitt widerstandslos aus ihrer Halterung, und eine schmale Öffnung entstand.
Aria kletterte mühelos hindurch und drehte sich zu den Brüdern um. „Kommt, es ist enger, als es aussieht, aber ihr schafft das.“
Orion und Sagittarius tauschten einen skeptischen Blick. „Na großartig,“ murmelte Orion, während er sich auf die Knie niederließ und versuchte, durch die Öffnung zu schlüpfen. Es war enger, als er erwartet hatte, und er musste sich seitlich drehen, um hindurchzukommen.
Sagittarius folgte ihm und hatte ähnliche Schwierigkeiten. „Warum müssen diese Zugänge immer so klein sein?“ fragte er schnaufend, während er sich durch die Öffnung zwängte.
„Vielleicht, um Leute wie uns abzuhalten,“ antwortete Aria mit einem schelmischen Lächeln.
Drinnen war es stockfinster. Orion und Sagittarius entzündeten ihre Laternen, und die flackernden Flammen warfen lange Schatten an die feuchten Wände der Kanalisation. Der Geruch von modrigem Wasser und verrottendem Unrat erfüllte die Luft, und das leise Plätschern von Wasser hallte durch die Gänge.
„Warum sucht ihr nach Thranar?“ fragte Aria, während sie durch die dunklen Gänge führten. „Was wisst ihr über ihn?“
Orion war vorsichtig in seiner Antwort. „Unser Großvater kannte ihn. Wir hoffen, dass er uns helfen kann, unsere Ausrüstung zu reparieren.“
„Ihr kennt also praktisch nichts über Thranar oder seine Schmiede?“ fragte Aria skeptisch.
Sagittarius nickte. „Wir wissen nur, dass er ein hervorragender Schmied war. Mehr nicht.“
Aria seufzte und begann zu erklären. „Vor Jahren gab es hier einen Überfall von Schattenmonstern. Die Stadt wurde schwer getroffen, und viele Menschen starben. Seitdem ist Thranars Schmiede verschüttet und niemand spricht mehr darüber.“
Orion und Sagittarius tauschten besorgte Blicke. „Schattenmonster?“ wiederholte Orion. „Was für Schattenmonster?“
Aria öffnete den Mund, um weiter zu sprechen, doch Sagittarius brachte sie mit einer schnellen Handbewegung zum Schweigen. „Hört ihr das?“ fragte er leise, seine Augen suchten den dunklen Tunnel ab. „Was ist das für ein Geräusch? Es hört sich an wie…“
„Riesenkanalratten,“ flüsterte Aria und griff nach ihrem Dolch.
Die Geräusche wurden lauter, ein scharrendes, kratzendes Geräusch, das von allen Seiten zu kommen schien. Die Brüder tauschten einen besorgten Blick und bereiteten sich auf das vor, was kommen würde.
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