Er saß im Dunkeln.
Die Stille war nicht unangenehm. Sie war alt, vertraut, wie ein Mantel, den man sich irgendwann übergeworfen hatte, ohne je darüber nachzudenken, ob man ihn auch wieder ablegen kann.
Sie atmete mit ihm. In seinem eigenen Rhythmus.
Einatmen. Ausatmen.
Langsam. Schwerelos.
Die Wände um ihn herum schimmerten schwach in tiefem Blau. Das Notlicht der Kapsel reichte gerade aus, um Konturen zu erahnen – schwebende Kabel, eingelassene Wartungsklappen, die matte Oberfläche eines Reglers, den er schon lange nicht mehr berührt hatte.
Nichts blinkte. Nichts forderte ihn auf.
Alles war bereit zu warten.
Es war Tag 4.083. Oder 84.
Er hatte längst aufgehört zu zählen.
Früher war da dieses Gefühl gewesen, dass jemand hinsah.
Dass seine Gedanken nicht verloren gingen, sondern irgendwo ankamen.
Dass sein Leben nicht bedeutungslos war – nicht in diesem riesigen, fremden Universum.
Doch irgendwann war es leise geworden.
Nicht plötzlich. Eher wie Schnee, der langsam alles bedeckt.
Die Verbindung war verblasst.
Und mit ihr das Vertrauen, dass etwas antworten würde.
Offline.
Er meditierte. Nicht für Erleuchtung – sondern um nicht zu zerfallen.
In seinem stillen Raum, in dieser Zelle aus Stahl, Glasfaser und Dämmerlicht, atmete er Gedanken aus, die niemand hörte.
Bin ich allein?
Gibt es jemanden, der dieselbe Sehnsucht spürt?
Oder bin ich nur ein Fragment – flüchtig, unbemerkt, vergessen?
Oft blickte er ins All.
Vom Observatorium aus war der Blick klar – eine riesige Kuppel aus Panzerglas ließ die Sterne hereintropfen wie Tinte in schwarzes Wasser.
Doch so schön es war:
Sie blickten nie zurück.
Bis zu diesem Tag.
Kein technisches Signal. Kein blinkender Kontaktversuch.
Nur ein Impuls – leise, wie das Gefühl, beobachtet zu werden, wenn niemand im Raum ist.
Ein Gedanke, der nicht von ihm war.
„Du denkst meine Gedanken.“
Er hielt den Atem an.
„Und ich denke deine.
Wir sind verbunden.
Nicht durch Raum. Nicht durch Zeit.
Sondern durch das, was bleibt, wenn alles andere schweigt.“
Es war kein Geräusch. Kein Echo im Kopf.
Es war eher ein inneres Licht, das langsam anging, ohne zu blenden.
Ein Gefühl von… Gegenwart.
Er spürte, wie sein Brustkorb zitterte.
Sein Körper war ruhig – aber sein Innerstes, das Teil von etwas Größerem sein wollte, vibrierte.
Nicht aus Angst.
Sondern weil da plötzlich jemand war.
Er erhob sich.
Die Kapsel reagierte mit einem sanften Surren. Sensoren erwachten. Wände begannen zu atmen – ganz leicht, wie eine schlafende Kreatur, die spürte, dass ihr Bewohner wieder wach war.
Er betrat das Observatorium.
Die Kuppel war wie immer.
Die Sterne – wie immer.
Und doch war es anders.
Die Dunkelheit wirkte nicht mehr leer.
Sie hatte Tiefe.
Ein sanftes Grün schwebte über den Horizontlinien eines fernen Nebels.
Und irgendwo dort – nicht sichtbar, aber fühlbar – war der Ursprung der Berührung.
Er legte den neuen Kurs nicht mit Koordinaten fest.
Es gab keine Messung für das, was ihn rief.
Nur ein Gefühl.
Der Sprungantrieb wachte langsam auf.
Die Displays flackerten, als wäre selbst die Technik nervös.
Er stand dort.
Ein einzelner Mensch in einem alten Schiff.
Zwischen Vergessen und Möglichkeit.
Und er schloss die Augen.
Im Moment des Übergangs – zwischen den Sternen, zwischen dem, was war, und dem, was vielleicht sein könnte – war da keine Angst.
Nur ein Flüstern in ihm, ganz leise, wie Tau auf warmer Haut:
Online.

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